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Channel: Internet – Daniel Bröckerhoff
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Steinbrück sieht keinen Mehrwert bei abgeordnetenwatch.de

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Peer Steinbrück ist schon ‘ne Granate. Wie ein Eichhörnchen auf Speed hüpft er von Fettnapf zu Fettnapf und scheint das auch noch zu genießen. Nächster Klopper: Er hält nichts von abgeordnetenwatch.de. Die Begründung macht sprachlos.

Zur Erinnerung: abgeordnetenwatch.de ist eine Plattform, auf der man unseren MdBs ein bißchen bei der Arbeit zusehen und sie mit Fragen löchern können soll. Jeder MdB hat eine eigene Seite, die gut übersichtlich Informationen über sie zusammenfasst: Wahlkreis, Geburtstag, Abstimmungverhalten und einiges mehr.

abgeordnetenwatch.de-Seite von Peer Steinbrück

abgeordnetenwatch.de-Seite von Peer Steinbrück

Das wirklich Tolle aber: Man kann den MdBs dort Fragen stellen, die sie dann – hoffentlich – beantworten, so dass jede/r Interessierte sehen kann, wo er/sie steht.

Eine Frage – eine Standardantwort

Auch Peer Steinbrück hat so eine Seite. Dort fragte ein Herr Beyer am 5.1.2013 Peer Steinbrück, warum er auf seine Frage vom 11.11.2012 nur eine Standartantwort bekommt und aufgefordert wurde, sich stattdessen an das Abgeordnetenbüro Steinbrück zu wenden:

“Sie wollen also allen an Ihrer Antwort interessierten Bürgern Ihre Entgegnungen auf meine doch für “jeden” Wähler so wichtigen Fragen vorenthalten und nur mir antworten?Soll etwa ich – nachdem Sie nur mir privat meine Fragen beantworteten bzw. beantworten ließen (was auch noch fraglich ist) – dann Ihren Wahlkampf übernehmen?”

Die Antwort des Büros Steinbrück muss man sich Wort für Wort auf der Zunge zergehen lassen (Hervorhebungen von mir):

“Herr Steinbrück hat sich dagegen entschieden das Portal abgeordnetenwatch.de zu nutzen, da er der Überzeugung ist, dass es keinen Mehrwert für die Wählerinnen und Wähler schafft.

Jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich direkt an Bundestagsabgeordnete wenden, um Fragen zu stellen. (…)

Abgeordnete des Deutschen Bundestages werden aus Sicht Herrn Steinbrücks nicht durch eine Internetplattform kontrolliert, die ihre “Spielregeln” aufzudrängen versucht, sondern allein durch den Souverän. (…) Herr Steinbrück bevorzugt den direkten Kontakt mit Menschen statt des Umweges über einen vermeintlichen Dienstleister, der zumindest Teile seiner Einkünfte über Werbung erzielt. (…) Dass die Betreiber des Internetangebotes insbesondere jene Abgeordnete maßzuregeln versuchen, die ihrem Drängen nicht entsprechen und dort keine Fragen beantworten, ist offensichtlich.”

Großzügiger Steinbrück

Herr Steinbrück möchte also jedem die Möglichkeit geben, mit ihm persönlich zu reden oder eine persönliche Antwort zu kriegen? Wie großzügig. Und wie unrealistisch.

Herr Steinbrück möchte sich also nicht von einem “vermeintlichen Dienstleister, der zumindest Teile seiner Einkünfte über Werbung erzielt” kontrollieren und “maßregeln” lassen? Was für ein tapferer Widerstandskämpfer.

Dass öffentliche Antworten auch für sein Büro eine Arbeitsentlastung sein könnten – egal. Dass man so die Bereitschaft zu einem öffentlichen Diskurs signalisiert – nicht so wichtig.

Dass abgeordnetenwatch.de in meinen Augen als presseähnliches Angebot einer neuen Art gewertet werden könnte, das  – genau wie viele andere presseähnliche Angebote – Öffentlichkeit schafft, sich dafür aber durch Werbung finanzieren muss – Erbsenzählerei.

[Nachtrag 14:01h: Die Betreiber von abgeordnetenwatch.de machen mich gerade in den Kommentaren darauf aufmerksam, dass es keine Werbung auf dem Portal gibt. Ich hatte meine Adblocker nicht ausgeschaltet und die Behauptung des Büros Steinbrück nicht überprüft. Dafür möchte ich mich entschuldigen.

Stattdessen weise ich daraufhin, dass man abgeordnetenwatch.de mit einer Spende unterstützen kann und dass sowohl Spiegel Online, Welt.de sueddeutsche.de als auch T-Online Medienpartner sind.]

Presse ist scheinbar für ihn, was gedruckt oder gesendet wird und wo ein ordentlicher Journalist hinter steht. Nur denen scheint sich Steinbrück zur öffentlichen Auskunft verpflichtet zu fühlen.

Anachronistische Haltung – bei Steinbrück UND Merkel

abgeordnetenwatch.de-Seite von Angela Merkel

abgeordnetenwatch.de-Seite von Angela Merkel

Herr Steinbrück legt hier eine unfassbar anachronisische Haltung an den Tag, die sich mit den neuen Wünschen nach Transparenz und Offenheit nicht vereinbaren lässt – auch wenn dies teilweise aus guten Gründen nicht realisierbar sind. Eins muss man ihm zugute halten: Er hält sie zumindest nicht hinterm Berg.

Frau Merkel macht das übrigens wieder mal geschickter: Sie ignoriert das Portal scheinbar einfach. Ich konnte jedenfalls beim Durchscrollen keine Antwort finden. Mit dieser Aussitzen-und-Ignorieren-Haltung hat sie es geschafft, beliebteste Politikerin Deutschlands zu werden.

Ich weiß gerade nicht, was ich schlimmer finde.


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